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L'industrie du troisième millénaire |
in WIRTSCHAFTS WOCHE , 30/05/2002 - NR 23
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Revue de presse |
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KÄNGURUH IM AUTO Ein Anarchist als Unternehmer : Der lebensfrohe Franzose Thierry Ehrmann mischt via Internetkatalog den internationalen Kunstmarkt auf. Irrtum ausgeschlossen : In diesem Laden geht es um die Revolution. Marx, Lenin und Mao erwarten den Besucher im Eingangsraum von artprice.com - wenn auch unter Glas und künstlerisch verfremdet. Selbst der Chef, Thierry Ehrmann, Genießer, Unterrnehmengründer und Kunstnarr, trägt die Liebe zum Umsturz deutlich zur Schau. Rattenschwanzlanges
Zöpfchen im ansonsten kurzen, streng nach hinten gegelten Haar, schwarze
Kleidung und stets ein flottes Zitat von Edelanarchos wie dem Franzosen
Pierre Joseph Proudhon (Eigentum ist Diestahl") oder dem Russen
Michail Bakunin (Kampf dem Zwang") auf den Lippen. Ehrmann
tummelt sich im Internet und hält das Netz ebenso wie seine Unternehmensgruppe
für ein Mittel zur Gesellschaftsänderung.
Allein für die vergangenen drei Jahrhunderte liegen vier Millionen Versteigerungsergebnisse vor. Heute kommt so gut wie kein Kunstgegenstand mehr unter den Hammer, ohne dass der erzielte Preis aotomatisch an Ehrmanns Lyoner Zentrale mitgeteilt würde. 2900 Auktionhäuser von Dallas bis Kiew beteiligen sich mit infos am Netz des Unternehmers. Die Dateien von Artprice.com Kennen die Lebensläufe von über einer Million Künstlern seit dem 4.jahrhundert und die Preisentwicklung und Umsätze der Werke von 25 000 Kunslern während der vergangenen zehn Jahre. Ich zerstöre Herrschaftswissen", verkündet Ehrmann stolz. Mehr als 270 000 Versteigerungskataloge aus den vergangenen 300 jahren bilden die Grundlage der Datensammlung. Seit jahren Kauft der Freimaurer, der neben den Rechten auch Katholische Theologie studierte, die Copyrights für Kataloge zusammen. Es gibt wenige Märkte, die seit Jahrhunderten so genau dokumentiert sind wie der Kunstmarkt", sagt Ehrmann, aber die großen Händler behielten ihr Wissen für sich, weil dieses Geheimwissen die Grundlage ihres Gesch¨ftes war"
Schön für
Ehrmann : Der Kunstmarkt verlässt seinen Elfenbeinturm. Die Käufer
sind zunehmend jünger und weniger wohlhabend. War der typische Sammler
1980 über 50 jahre alt, so liegt sein Alter heute zwischen 30 und
bis 40 jahren."Kunst bewegt sich aus dem Raum des Unerschwinglichen
in Richtung noch zahlbaren Luxus", beobachtet Artprice-Gründer
Ehrmann, statt 500 000 elitärer Sammler werden wir in wenigen
Jahren fünf Millionen Kunstkonsumenten haben.
Ehrmann, der auf dem gesicherten Gelände des Unternehmens mit seinen beiden Söhnen und zwei deutschen Doggen lebt, war schon als junger Mann stadtbekannt in Lyon. Der Vater, Absolvent der Eliteschule Ecole Polytechnique und dem fundamentalistischen Katholischen Geheimorden Opus Dei nahestehend, war Mehrheitseigentümer einer Chemiefirma aus Franfurt. Nach dem Tod des Vaters spielte der gerade 18- Jährige die Interessenten an der Firma gegeneinander aus und erzielte so einen stattlichen Preis. Damals habe ich die Bedeutung von Marketing begriffen ." Mit 21 jahren versuchte Ehrmann mit einigen Gleichgesinnten ein Blatt für unterdrückte Nachrichten zu lancieren, zog es angesichts des versperrten Marktes aber vor, einen Audiodienst per Tellefon zu installieren. Zwei jahre darauf legte er sich als links-Kapitalist mit Spediteuren an : Er verscherbelte über Minitel, den französischen Vorläufer des Internets, Transportkapazitäten." Die Pistoleros der speditionsagenturen haben uns eines nachts die Geräte zerschlagen", erinnert sich Ehrmann. Wenig später bekam er Ärger mit der gilde der konkursverwalter, weil er die Inventarlisten bakrotter Unternehmen ins Netz stellte. Damals lebte Ehrmann mit seiner Kommune in einer alten Köhlerei, gab skandalumwitterte Partys und fuhr zum Ergötzen der Lyoner die Tiere seiner Känguruhzucht, die er nebenher auf dem Gelände betrieb, im Rolls-Royce spazieren. 1987 gelang es dem
Juristen, gegen die Widerstände der Anwaltslobby das Daten-bankunternehmen
Serveur zu gründen. Serveur, dessen Aktien zu 95 Prozent Ehrmann
geh¨ren, liefert vor allem Informatopnen über Gesetzesvorhaben,
aktuelle Urteile und fasst öffentliche Bekanntmachungen zusammen.
Daneben fungiert Serveur als Holding des Ehrmann-Reiches. Die Gruppe beschäftight
inzwischen mehr als 350 Leute. Ehrmann selbst sieht den Einbruch gelassen. Zum einen zählt er laut dem französischeen Wirtschaftsmagazin Le Nouvel Economiste" zu den 500 reichsten Franzosen. Zum anderen hat er trotz des schwächelnden Kurses noch immer die Unterstützung eines prominenten Zweitaktionärs : Bernard Arnault, Chef dee Luxusgruppe LVMH und nebenbei der reichste Mann Frankreichs, hält 17 Prozent von Artprice.com. Als beruhigend empfindet
er auch die Tatsahe, dass die Kartellwächter der Brüsseler EU-Kommisson
nicht mehr gegen ihn ermitteln. Lange Zeit drohte dem Kunstrebell ein
Verfahren, weil er seine Marktmacht monopolistisch genutzt haben soll.
Jetzt soll die Klage zurückgezogen werden. Ehrmann : Die hätten
beweisen müsen, dass wir wie ein Monopol agieren." Davon ist
der Arnarchounternehmer aber noch ein Stück weit entfernt - zumindest,
so lange es Rivalen wie Artnet.com gibt. KÜNSTLERDATENBANK WUNDERLICHS BULLDOGGE Welche Preise erzielte
das 1972 von Paul Wunderlich gemalte Bild Bulldogge, Spartakistin
und Berufsmodell" bei Versteigerugen? Wann und wo wurde es versteigert?
Sowohl bei der Nutzung der Web-Seite von artprice.com als auch bei der
Seite des deutschen Konkurrenten artnet.com weistraß der Nutzer
nach vier Minuten, daas der Schätzpreis dieses Bildes in den vergangene
zwölf Jahrenzwischen 8 000 und 22 000 Dollar schwantkte und zurzeit
bei rund 15 000 Dollar steht. Lothar Schnitzler
/ Paris |
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